Wann ist eine Übersetzung gut? Übersetzungsbüro eurolanguage

Falsche Übersetzung oder schlechte Übersetzung?

Warum eine „falsche“ Übersetzung manchmal genau die richtige ist und die „richtige“ Übersetzung durchaus schlecht sein kann.

In der Übersetzungsbranche hat sich in den letzten Jahren vieles verändert: Die dem Übersetzer* zur Verfügung stehenden Werkzeuge – die sogenannten CAT-Tools – wurden entscheidend weiterentwickelt, online-Übersetzungsprogramme wie Google oder Deepl machen rasante Fortschritte. Zudem sind die Anforderungen und Bedürfnisse der international orientierten Kunden in Zeiten der Digitalisierung 4.0 gestiegen: Produkte und Dienstleistungen sollen per Mausklick in den verschiedenen Sprachen verfügbar sein und auf dem internationalen Parkett einen rundum guten Eindruck vermitteln. Neben all diesen Entwicklungen bleibt eine Frage aber zu allen Zeiten präsent, ja brisant:

Wann ist eine Übersetzung „gut“?

Wie lässt sich die Qualität einer Übersetzung beurteilen?

Das sind Fragen, die ad hoc nicht einfach zu beantworten sind, wie es zunächst scheinen mag und zu ganz widersprüchlichen Antworten führen. Auch, und das ist das Entscheidende bei unserer Betrachtung, das Etikett „falsch“ ist als solches nicht eindeutig, anders als bei Rechenaufgaben!

Schwierigkeit Nr. 1 bei der Beurteilung von Übersetzungen:

Kritik präzise formulieren

⇒ Übersetzungsqualität ist Textqualität

Es klingt banal: Eine Übersetzung ist immer in erster Linie ein Text. Und Texte werden subjektiv wahrgenommen. Was einem Leser gefällt, muss anderen nicht gefallen. Diese Erkenntnis, derer sich die Gegner der Literaturkritik gern bedienen, könnte schnell zu dem Eindruck führen, dass es müßig ist, nach einer allgemeingültigen Methode zu suchen, um die Arbeit des Übersetzers bewerten zu können. Dem steht allerdings die Tatsache gegenüber, dass die Klassiker der Weltliteratur es trotz unterschiedlichen Geschmacks dennoch geschafft haben, einen Konsens zu erzielen: Sie gelten in der mehrheitlichen Vorstellung als „gute Texte“. Doch diese Formulierung enthüllt zugleich die Unmöglichkeit eines sachlichen und quantifizierbaren Urteils, denn sie bleibt fakten- und zahlenfrei. Wir können dafür keine Instrumente verwenden, keine Skala anlegen, keine Vergleiche mit einem geeichten System oder einem Sollwert anstellen.

⇒ Unscharfe Kritikpunkte schaffen Verwirrung

Daraus ergibt sich auch die Schwierigkeit, Probleme mit einer Übersetzung in Worte zu fassen. Unternehmen mit Niederlassungen im Ausland bekommen oft ein sehr vages negatives Feedback: Der Text lese sich holprig; so würde ein Muttersprachler niemals schreiben; man könne mit dem Text nichts anfangen; die Übersetzung sei allgemein schlecht.
Für den Auftraggeber ist es dann kaum möglich, zu begreifen, was genau geändert werden müsste, er weiß nicht, warum die Übersetzung als misslungen wahrgenommen wird. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit einer Reklamation an die Übersetzungsagentur oder den Übersetzer zu wenden. Doch selbst dann kann die Antwort komplex sein.

Schwierigkeit Nr. 2 bei der Beurteilung von Übersetzungen:

Kritik verstehen

⇒ Gute Übersetzungsagentur vs. schlechte Übersetzungsagentur

Natürlich kann es vorkommen, dass schlicht auf eine nicht ganz so seriöse Übersetzungsagentur zurückgegriffen wurde, die wenig Erfahrung in der Auswahl der geeigneten Übersetzer hat, die Personalressourcen für ein bestimmtes Themengebiet nicht hat, aus Kostengründen auf die Beschäftigung von Muttersprachlern oder recherchewilligen Mitarbeitern verzichtet oder sich schlimmstenfalls lediglich einer gängigen Übersetzungssoftware bedient und das Ergebnis weder prüft noch redigiert. Dies soll hier nicht unser Thema sein.

Wenn aber eine hochwertige Übersetzungsagentur und ein professioneller Muttersprachler beauftragt wurden, ist eine Übersetzung, die im Zielland als nicht zufriedenstellend angesehen wird, in den seltensten Fällen wirklich „falsch“ (auf diesen Begriff gehen wir im nächsten Teil dieses Artikels genauer ein), und die Probleme liegen an anderer Stelle.

Ursachen für „falsche“ Übersetzungen

1. Interkulturelle Differenzen: Der Ausgangstext passt nicht zum Zielland

Die Globalisierung hat sich mit atemberaubender Geschwindigkeit von einem theoretisch-politischen Konstrukt zu einem der wichtigsten gelebten Faktoren des wirtschaftlichen Handelns entwickelt. Vergessen wird dabei oft, dass die allgegenwärtige Präsenz von Fastfood-Filialen im Stadtbild und das immer einheitlichere Markenangebot bis in die kleinsten Ecken der Welt die regionaltypischen Denkweisen und Gewohnheiten, die geschäftlichen Gepflogenheiten und Mentalitätsunterschiede nicht von heute auf morgen „weggebügelt“ haben. Das kollektive Bewusstsein, die gemeinsame Vorstellungswelt einzelner Kulturen bleiben  nicht erheblich weniger als früher an Grenzen gebunden, auch wenn diese eher geographisch-kultureller und nicht notwendigerweise politischer Natur sind.

Für dieses Problem kann es zwei Lösungswege geben.

Eine Übersetzung im eigentlichen Sinn, also die Übertragung des Ausgangstextes in die Fremdsprache unter Einhaltung der Tonalität, der Textabsicht und -details, ist nicht immer die beste Wahl. Transcreation kann sinnvoller sein, wenn zwar der essentielle Inhalt vermittelt werden soll, aber alle anderen Merkmale, die den kulturellen Ursprung des Textes erkennen lassen, angeglichen oder sogar komplett verändert werden müssen.
Zuweilen ist auch dieser Schritt ungenügend. Ist die Textvorlage mit zu vielen Gegebenheiten im Zielland und in der Zielsprache nicht vereinbar, erfordert dies eine enge Zusammenarbeit zwischen den Übersetzungspartnern: Der Kunde muss bereit sein, auf das Urteil, die Erfahrung, die Fachkenntnisse des Übersetzers zu vertrauen, seine Einwände und Vorschläge ernstzunehmen. Eine gute Übersetzungsagentur macht von vornherein auf vorhersehbare Schwierigkeiten aufmerksam und bietet von sich aus die entsprechende Unterstützung an. Ist der Kunde einer solchen sprachlichen Feinjustierung nicht aufgeschlossen, ist auch der beste Übersetzer machtlos, und der Text wird im Zielland unvermeidlich einen schlechten Eindruck hinterlassen.

2. Unternehmensinterne Fachterminologie

Auch interne Prozesse können dazu führen, dass Übersetzungen ihren Zweck nicht erfüllen. Hat das Unternehmen eine festgelegte und in den jeweiligen Ländern eingespielte und verankerte Fachterminologie und einen eigenen Sprachstil (Corporate Wording/Corporate Language) entwickelt, müssen diese Elemente dem Übersetzer von Anfang an und vollständig zur Verfügung gestellt werden. Die Übersetzung wird im Zielland andernfalls als Stilbruch, bei abweichendem Fachvokabular als „falsch“ betrachtet werden, auch wenn die Terminologie allgemein anerkannt ist und für andere Unternehmen bedenkenlos verwendet werden dürfte.

Ebenso gefährlich kann das „Recycling“ sein. Übersetzte Website-Texte sollten nicht für Imagebroschüren oder Prospekte eingesetzt werden. Dies gilt umso mehr in Ländern, in denen Formalien eine große Rolle spielen: Der Leser erwartet, dass zu jedem Format Texte anderer Tonalität der Situation entsprechend angeboten werden, und spürt instinktiv, dass der Text fehl am Platz ist – in der geäußerten unscharfen Kritik: „schlecht“. Deshalb ist es wichtig, dass bei jedem Auftrag auch ein Kontext angegeben wird: Nur so können Übersetzungsagentur und Übersetzer den Kunden effektiv beraten und ihn darauf aufmerksam machen, für den Fall, dass Text und Zweck im Zielland nicht harmonieren können.

3. Die Dinge wurden leider zu wörtlich genommen

Die lustigen Fotos aus Speisekarten und Hotelbeschilderungen, die uns in den Sozialen Netzwerken immer wieder zum Schmunzeln bringen, sind Beispiele für Fälle, in denen es nicht schwer ist, eine falsche Übersetzung zweifelsfrei zu identifizieren. Kaiserschmarrn als Emperor’s Nonsense zu übersetzen ist köstlich, jedoch eindeutig falsch.

Natürlich lassen wir auch an dieser Stelle die Gelegenheit nicht aus, anzumerken, dass ein menschlicher und professioneller Übersetzer solche Fehler nicht machen würde. Sie sind meistens das Produkt unredigierter maschineller Übersetzungen … oder das Werk eines Anfängers, der sein Text-und Sprachveständnis maßlos überschätzt.

Theorie und Praxis: Wenn eine „falsche“ Übersetzung genau die richtige ist

Tückisch kann die Diskrepanz zwischen Regeln und Leben sein, zwischen puristischer Sprachauffassung und tatsächlichem Sprachgebrauch. Grundsätzlich fühlen sich Übersetzer zwei Göttern verpflichtet: einerseits der grammatikalischen Genauigkeit, der einwandfreien Sprache, andererseits dem, was im Zielland wirklich gesagt und geschrieben wird. Daraus kann ein unangenehmes Dilemma erwachsen.

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Zum einen entwickeln sich Regelwerke und Sprachgebrauch nicht synchron.

Ein Beispiel: Während im Deutschen das Wort „wegen“ aus grammatikalischer Sicht ausschließlich mit dem Genitiv verwendet werden dürfte, hat sich in der Umgangssprache der Fehler „wegen dem …“ so lange unmerklich eingeschliffen, dass er mittlerweile im Mündlichen geduldet und sogar in einigen festen Ausdrücken und in journalistischen Texten als salonfähig anerkannt wird.

Sprachpurismus, die grammatikalisch richtige Formulierung, kann von Fall zu Fall komplett an der Zielgruppe vorbei gehen, ja für diese geradezu falsch klingen.

Des Weiteren kann Purismus dann kontraproduktiv sein, wenn die richtige Verwendung eines Wortes, eines Genus oder einer Schreibweise zwar von Grammatiken und Wörterbüchern normativ unumstritten sanktioniert ist, jedoch nur 2 % der gebildeten Bevölkerung dieses wissen und anzuwenden vermögen.

Soll der Übersetzer die hochsprachlich korrekte Verwendung wählen, die in den Nachschlagewerken verbrieft ist, aber dennoch so nicht verwendet wird, oder soll er sich nach dem sprachlichen Usus richten, der von 98 % seiner Landsleute gepflegt wird?

Analog stellt sich die Frage bei Rechtschreibregeln, bei denen eine „falsche“ Rechtschreibung als sinnverändernd begrenzt akzeptiert ist. Im Französischen zum Beispiel gilt die Orthographie „de tous temps“ (zu allen Zeiten) parallel zum einzig korrekten „de tout temps“ bedingt, da Semantiker einen geschichtlich gewachsenen leichten Bedeutungsunterschied einräumen: „de tous temps“ dürfe dann geschrieben werden, wenn „zu allen Epochen“ gemeint sei, während „de tout temps“ in Abgrenzung dazu eher als „schon immer“ aufgefasst werden dürfe. Einige Linguisten argumentieren sogar, dass diese Unterscheidung nicht nur sein dürfe, sondern sein solle.

Im Deutschen stellt sich ein vergleichbares Problem (wenn es auch weit weniger leidenschaftlich diskutiert wird) in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte bei dem Ausdruck „Null Emissionen“, der angesichts der Zahl „Null Emission“ heißen müsste. Oder das Luftdruckgewehr, das eigentlich ein Druckluftgewehr sein müsste.

In den meisten Fällen ist der Dialog mit dem Kunden der goldene Weg: Der Kunde entscheidet, was seine Intention besser trifft: praxisferne Korrektheit oder tatsächlicher Sprachgebrauch.

Eine gute Übersetzung ist selbstverständlich frei von Rechtschreib- und Grammatikfehlern – auch wenn, wie gezeigt wurde, hier Ausnahmen notwendig sein können – und hilft dem Kunden, im Zielland einen perfekten Eindruck zu hinterlassen und folglich zu überzeugen. Dies ist die Definition.

Im echten Leben aber ist eine gute Übersetzung vor allem eins: unsichtbar. Sie ist ein Text, der ganz selbstverständlich klingt…

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sind alle Geschlechter miteingeschlossen.