Was ist Transcreation? Das neue Zauberwort?
Disruption, Industrie 4.0 – in unserer Zeit erfinden sich Branchen immer wieder neu und scheinen mit smarten Begriffen nur so um sich zu werfen. Ob es sich um Altes in einem neuen und etwas trügerischen Gewand oder um wirklich zukunftsweisende Entwicklungen handelt, ist nicht immer sofort auszumachen.
In der Übersetzungsbranche etwa geht seit einigen Jahren der Begriff der Transcreation verheißungsvoll um.
Wir erklären hier, was er bedeutet.
Transcreation: das Wort
Wie viele aktuelle Wortschöpfungen ist Transcreation ist ein Kofferwort, das sich aus „Translation“ und „Creation“ zusammensetzt, und bezeichnet also das sogenannte „kreative Übersetzen“. Hiermit soll zu allererst ein Unterschied betont werden: zwischen einerseits der Arbeit eines Fachübersetzers in technischen, juristischen oder medizinischen Themenbereichen, bei der Genauigkeit und Texttreue im Vordergrund stehen, und andererseits Spielarten der Übersetzungsarbeit, in denen der Übersetzer sich sehr deutlich vom Ausgangstext entfernen darf und soll, um seinen Text der Zielgruppe anzupassen.
Transcreation? Aber gab es das nicht schon immer?
Die Vermutung liegt daher nahe, dass es sich nicht wirklich um eine neue Form der Übersetzungsarbeit handelt: Gute Übersetzungen zeichnen sich schon lange dadurch aus, dass sie nicht wortwörtlich und um jeden Preis dem Ausgangstext folgen, sondern sich in Ausdrucksweise, Stil und Vorstellungswelt dem sprachlichen und kulturellen Hintergrund des künftigen Lesers anpassen.
Transcreation geht der Definition nach hier aber weiter: Slogans, Botschaften, Texte und sogar Inhalte werden auch den Marketinggepflogenheiten des Ziellandes entsprechend adaptiert.
Spielwiesen und Ziele der Transcreation
Demnach ist Transcreation dort gefragt, wo das Wesen, die Grundidee, die Botschaft, die Stimmung, die Ansprache eines Textes wichtiger sind als sein Wortlaut. Werbung, Marketing und Filmsynchronisation sind die wichtigsten Tätigkeitsfelder des Transcreators. Vereinfacht ausgedrückt: Transcreation ist das Werbetexten in der Zielsprache anhand eines Ausgangstextes.
Ist der Transcreator überhaupt noch Übersetzer?
Ein guter Übersetzer zeichnet sich durch seine interkulturelle Kompetenz und den Willen aus, sich ständig fortzubilden und die Entwicklung der Sprachen, in denen er arbeitet, niemals aus den Augen zu verlieren. Er muss sich stets der neuen sprachlichen Trends bewusst sein und sie gegebenenfalls gekonnt in seine Arbeit integrieren. Von diesem Standpunkt aus bringt ein professioneller Übersetzer durchaus „Skills“ ein, die für die Transcreation-Arbeit notwendig sind.
Doch die Kenntnisse eines Transcreators gehen weit darüber hinaus: Er muss in der Zielsprache die vollständige Aufgabe eines Werbetexters und Art Directors übernehmen können. Dies beinhaltet text- und werbepsychologische Kenntnisse und aktuellste Einblicke in die Marketingpraxis des Ziellandes.
Versprechen und Grenzen der Transcreation – ein kritischer Ausblick
Transcreation ermöglicht es einem Unternehmen, die Beauftragung einer Werbeagentur in jedem Zielland, in dem es tätig sein möchte, zu umgehen, und wird deshalb mitunter als Segen in der Bearbeitung der internationalen Kommunikation betrachtet.
Ein heikler Punkt ist dabei allerdings eines der wichtigsten Versprechen der Transcreation: der Erhalt der Markenbotschaft und der Erfolg der Werbung im Zielland.
Inwiefern die völlig neue Adaption an die Mentalität der Zielsprache die Bewahrung der Aussage ermöglicht, muss hinterfragt werden: Oft kollidieren nicht nur Begriffe oder Wortspiele einer Markenbotschaft mit den Gepflogenheiten des Ziellandes, sondern die gesamte Ausrichtung einer Werbekampagne ist in Form, Inhalt, Denkart oder Humor ungeeignet. Hier kann nichts angepasst oder übersetzt, geschweige denn bewahrt und vermittelt werden. Ein Briefing mit entsprechender Beratung ist notwendig – Creation statt Translation.
Wird die Markenbotschaft wiederum klar erhalten und bleibt die Mentalität des Unternehmens und seines Landes auch als Teil der Werbung bewusst erkennbar, handelt es sich schlicht um eine Übersetzung.
Ist eine Transcreation gewünscht, ist es daher wichtig, dass der Auftraggeber seine Erwartungen so präzise wie möglich beschreibt und sich auf einen entsprechenden Dialog mit dem Übersetzer und der Agentur einlässt.
Transcreation ist also nicht nur ein Kofferwort, sondern auch ein Sammelbegriff.
Für eine Vielzahl von Nuancen und Stufen der Marketingübersetzung – ein Sammelbegriff, der ohne Zweifel zur Reflexion anregen sollte und auch das Selbstverständnis des Übersetzers möglicherweise nachhaltig neu definieren wird.
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