Post-Editing – Übersetzungen vom Discounter?
Mit den rasanten Entwicklungen der Übersetzungsprogramme wie GoogleTranslate oder Deepl und anderen Online-Übersetzungs-Tools hat sich in den letzten Jahren ein neuer Begriff in der Übersetzungsbranche etabliert: das Post-Editing, im Englischen abgekürzt mit MTPE (Machine Translation Post Editing). Damit wird ein Arbeitsschritt bezeichnet, der die Nachbearbeitung von maschinell übersetzten Texten umfasst, ein Schritt, der aus vielerlei Gründen unerlässlich ist. Mit einem gewissen Schmunzeln lesen wir als professionelle Übersetzer gerne auf Wikipedia die Definition: “Postediting is the process whereby humans amend machine-generated translation to achieve an acceptable final product.”
Denn trotz aller Fortschritte der Übersetzungsprogramme ist die Nachbearbeitung durch einen menschlichen Übersetzer ein Muss, gilt es doch noch immer, auch im Jahr 2021, bei maschinell übersetzten Texten Grammatik- und Sinnfehler zu korrigieren, sowohl Inhalte als auch Fachtermini auf ihre Richtigkeit und Kohärenz hin zu überprüfen, sperrige sprachliche Wendungen zu glätten – gleichsam den Maschinentexten menschlichen Geist, Verstand und Stil einzuhauchen.
Post-Editing versus Lektorat
Der Unterschied zum gängigen Lektorat/Korrektorat liegt auf der Hand: Beim Lektorat eines Textes, der von einem menschlichen Autor erstellt wurde, kommen die oben genannten Fehler vielleicht in geringem Maße auch vor, aber es ist nicht zu erwarten, dass ein Mensch einen syntaktisch korrekten Satz schreibt, der aber semantisch überhaupt keinen Sinn ergibt. „Der Wald erschießt den Hasen.“ Syntaktisch korrekt, semantisch Unsinn. Die Übersetzungsmaschine tut das aber ab und an, da sie die Ausgangstexte nur einer rein mathematischen Analyse unterzieht. Der Post-Editor muss sein Augenmerk auf ganz andere Schwachstellen im Text richten als es ein Lektor tut, der Fokus auf Rechtschreib- und Tippfehler ist mehr oder weniger zu vernachlässigen, da die Übersetzungssoftware in der Regel diese Fehler nicht macht. Anders jedoch in der Syntax.
Post-Editor versus Übersetzer
Post-Editing ist in erster Linie KEIN Übersetzen im traditionellen Sinn, dennoch muss auch der Post-Editor beide Sprachen, die Ausgangs- und die Zielsprache, sehr gut beherrschen und über profunde Kenntnisse im jeweiligen Fachgebiet verfügen. Während ein Übersetzer dem Text seinen eigenen Stil verleiht, mit seinem Fachwissen und seiner interkulturellen Kompetenz den Originaltext in seiner Sprache abbildet, fällt dem Post-Editor eine ganz andere Aufgabe zu: Er muss die maschinell erstellte Übersetzung zunächst auf ihre Kohärenz hin überprüfen, dies betrifft sowohl den Stil als auch die verwendete Fachterminologie. Dabei muss er zudem unter einem ganz anderen Blickwinkel Übersetzungsfehler aufspüren: Denn die Maschine sieht den Text nicht im Kontext, kann nicht satzübergreifend ‚denken‘. Auch kulturelle Unterschiede und idiomatische Feinheiten erfasst die Maschine nicht. Das gleiche Wort kann in einem anderen Kontext etwas völlig anderes bedeuten, man denke an das klassische Beispiel des Wortes ‚Schloss‘ [Türschloss und Bauwerk] im Deutschen. Die unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten, die die Nuancen eines Textes ausmachen, erkennt die Maschine nicht. Auch imitiert die maschinelle Übersetzung in der Regel die Wortstellung des Ausgangstextes, was oft die Betonung der einzelnen Satzglieder verschiebt und falsch gewichtet. Der erfahrene Post-Editor weiß das und richtet sein Augenmerk auf genau diese Schwachstellen.
Post-Editing versus Übersetzung durch einen menschlichen Übersetzer
Wir brauchen hier nicht zu erläutern, dass eine Übersetzung von einem fachlich qualifizierten, erfahrenen Übersetzer in jedem Fall ‚besser‘ als eine maschinelle Übersetzung mit Post-Editing ist. Jedoch hat auch die, wir nennen es ‚Discounter-Version‘, durchaus ihre Berechtigung. Bei enorm großen Textmengen, zum Beispiel bei Katalogen, Produktbeschreibungen für Online-Shops, etc. wo es rein um die Produktinformation für den Kunden geht, diese noch dazu eher schnelllebig sind, weil Produkte ständig ausgetauscht werden, genügt es durchaus, eine maschinelle Übersetzung plus Post-Editing zu beauftragen. Ein umfangreiches firmenspezifisches Glossar, eine zeitnah aktualisierte und in das jeweilige Übersetzungstool eingepflegte Translation Memory sorgen dafür, dass große Textmengen schnell zur Verfügung gestellt werden können. Hier lautet die Prämisse: schnell, aktuell und am Puls der Zeit.
Immer gilt es jedoch die beiden wichtigen Zs bei jeder Texterstellung im Auge zu behalten:
Zielgruppe und Zweck. Sollen der Zielgruppe nur die wichtigsten Informationen übermittelt werden, rein inhaltlich, ohne sprachliche Feinheiten und kulturell adaptierte Werbebotschaften, dann genügt auf jeden Fall die Discounter-Version, maschinelle Übersetztung plus Post-Editing.
Post-Editing spart Kosten – zumindest auf den ersten Blick
Aber Achtung: Der vorrangige Aspekt der Kostenersparnis erweist sich bei näherer Betrachtung oft als trügerisch, denn ist die maschinell erstellte Übersetzung wirklich schlecht, kann der Aufwand einer Nachbesserung durch einen Post-Editor teurer sein, als die eigentliche Übersetzung durch einen qualifizierten Sprachmittler. Der Spruch ‚Wer billig kauft, kauft zweimal‘ wird hier leider oft zur Realität. Natürlich ist der Preis auch abhängig von der Bearbeitungstiefe: sollen nur sehr grobe Fehler berichtigt werden, wollen Sie eine durchschnittliche Qualität erreichen oder ist absolute Spitzenqualität Ihr Ziel? Das im englischen Sprachraum verbreitete „light-post-editing“ bedeutet, dass nur grobe Fehler, die den Lesefluss stören, das bezeichnete Produkt nicht richtig beschreiben und auffallend fehlerhafte Satzkonstruktionen ausgebessert werden. Dann gibt es die zweite Stufe des „full-post-editing“, an dessen Ende eine überarbeitete Version steht, die einer von einem menschlichen Fachübersetzer ‚händisch‘ durchgeführten Übersetzung inhaltlich, stilistisch, fachterminologisch in etwa gleichkommen sollte.
Der Preis von Post-Editing
Ebenso wie die Arbeit eines Übersetzers erfordert auch die des Post-Editors großes sprachliches Können, hohe Konzentration und stilistisches Feingefühl. Abhängig vom Output der maschinell erstellten Übersetzung ist der Aufwand der Nachbearbeitung in den verschiedenen Themengebieten sehr unterschiedlich: Manche Gegenden der maschinellen Übersetzung sind sehr gut erschlossen, in anderen ist noch harte Pionierarbeit notwendig.
Wir unterscheiden bei einer ersten Analyse die Rohübersetzung ist:
-
- brauchbar, mit Fehlerkorrekturen und leichten Verbesserungen = Aufwand gering
- verbesserungsbedürftig = Aufwand mittel
- es sind viele Verbesserungen/Korrekturen notwendig = hoher Aufwand
- eine Neuübersetzung ist günstiger als die Nachbearbeitung = Preis einer Übersetzung
Verständlich ist daher auch, dass Post-Editing nach zeitlichem Aufwand berechnet wird und nicht nach Zeilen oder Wörtern, wie dies bei einer Übersetzung der Fall ist. Mittels eines sogenannten ‚Probedurchgangs‘ eines repräsentativen Textteils ermitteln wir den tatsächlich zu erwartenden Gesamtaufwand.
In unserem nächsten Blogartikel geben wir Ihnen einen Überblick, in welchen Themenbereichen und bei welchen Textsorten Post-Editing eine durchaus akzeptable Alternative zur fachmännischen Übersetzung ist und in welchen Bereichen absolut davon abzuraten ist. Auch gehen wir auf das Risiko durch die unbedachte Verwendung maschinell übersetzter Texte ein.
Sie sehen, einiges spricht für Post-Editing, einiges spricht dagegen, was mit der Komplexität dessen zu tun hat, was Übersetzungsarbeit ausmacht.
Zur besseren Lesbarkeit wurde in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet, selbstverständlich sind alle Geschlechter miteingeschlossen.