Zwei japanische Businessmänner begrüßen sich

Was Ihr Unternehmen für das Japan-Geschäft wissen muss

Im internationalen Geschäft erfolgreich zu sein impliziert mehr, als nur gute Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Für zielführende Verhandlungen und vertrauensvolle, dauerhafte Beziehungen ist auch ein sicherer und routinierter Umgang mit den ausländischen Geschäftspartnern unerlässlich. Dies wiederum setzt fundierte Kenntnisse der Kultur und – auch wenn das Wort heute vielerorts als nicht mehr zeitgemäß erachtet wird – der Mentalität des jeweiligen Landes voraus. Kaufmännische Gepflogenheiten, Höflichkeitsregeln, Fettnäpfchen und Erwartungen, aber auch Unternehmens- und Arbeitsstrukturen zu kennen erleichtert den Zugang zu neuen Aufträgen. In einem Land wie Japan, dessen Traditionen heute noch im Alltag besonders lebendig geblieben sind und in keiner Weise im Widerspruch zu Modernität und Fortschritt stehen, gilt dies umso mehr.

Richtig starten: Geschäftsetikette in Japan

Respekt ist in Japan in jeder zwischenmenschlichen Beziehung eine feste Größe, die niemals unterschätzt werden sollte. Es ist sozusagen das große Zauberwort, das Sesam-öffne-dich des (Geschäfts-)Lebens. Dies betrifft alle Aspekte der Interaktion, aber auch die Achtung vor der japanischen Kultur und ihren Werten.

Auf konservative und unauffällige Kleidung setzen

Sind Sie nicht gerade in der Mode- oder Designbranche tätig, sollten Sie sich den einfachen Maßstäben japanischer Geschäftskleidung anpassen: Dunkle Anzüge für die Herren, gedeckte, vorzugsweise dunkelblaue Kostüme und flache Pumps für die Damen begegnen den Erwartungen am besten. Bevorzugen Sie als Mann schlichte Uhren und unauffällige Accessoires, als Frau diskreten Schmuck und natürliches Make-up.

Die angemessene Begrüßung

Westliche Begrüßung in Japan: möglich, doch nicht ohne Tücken

Der erste Eindruck ist in Japan noch mehr als in anderen Ländern entscheidend.
Auch wenn Japaner, die im Umgang mit ausländischen Gesprächspartnern geübt sind, das westliche Ritual des Händeschüttelns beherrschen und einsetzen, so bedeutet es nicht, dass sie sich uneingeschränkt damit wohl fühlen. Körperkontakt wird in Japan grundsätzlich als unangenehm und leicht übergriffig empfunden, und Sie werden manchmal feststellen, dass selbst bei routinierten Geschäftsleuten der Händedruck zuweilen etwas verkrampft und mit Verlegenheit erfolgt: Er ist immer ein Zugeständnis, für das Sie dankbar sein sollten. Selbst wenn Sie Ihren Ansprechpartner schon lange kennen, gehen Sie niemals zu einer Umarmung über, Sie würden ihn unnötig brüskieren.

Höflichkeit heißt Anpassung

Um Ihr Gegenüber positiv für sich einzunehmen, sollten Sie daher grundsätzlich mit dem traditionellen japanischen Begrüßungsritual beginnen: der Verbeugung. Dies ist noch wichtiger, wenn Sie es mit kleineren Unternehmen zu tun haben, denen internationale Umgangsformen zwar bekannt, aber im Alltag nach wie vor wenig vertraut sind. Überlassen Sie es dem Anderen, zu entscheiden, ob er dem einen Händedruck folgen lässt oder nicht. So schaffen Sie eine entspannte und anschlussfördernde Atmosphäre, die lange als angenehm und rücksichtsvoll im Gedächtnis bleibt.

Verbeugungen als Ritual und Code

Angemessen Respekt zeigen

Für einen Gaijin [外人 / がいじ], einen „Menschen von außerhalb“  (einen Nicht-Japaner also), kann es allerdings auch schwierig sein, sich „richtig“ zu verbeugen, denn diese Praxis ist mit einer Fülle von Codes verbunden, bei denen Hierarchie, Alter, Geschlecht, Anlass und einige Faktoren mehr eine Rolle spielen und die zu Anfang nur schwer, wenn überhaupt, zu durchschauen sind. Tiefe (15°/30°/95°), Dauer und Häufigkeit einer Verbeugung sollen Ihre Beziehung zu Ihrem Gegenüber und dem Kolorit des Anlasses (wenig formell, sehr formell, Fehlereingeständnis …) zum Ausdruck bringen und deshalb angemessen sein.
Wenn Sie von einem Dolmetscher begleitet werden, zögern Sie nicht, ihn darauf anzusprechen und um Rat zu bitten. Ihnen als Ausländer werden kleine Fauxpas allerdings verziehen, wenn Sie offen gestehen, dass Ihnen das erforderliche Wissen fehlt,  und vorab um Entschuldigung bitten. Eine Entschuldigung wird in Japan nicht als Schwäche, sondern als Größe gewertet: So zeigen Sie Ihre Bereitschaft, zu lernen, was sehr geschätzt wird.

Die japanische Verbeugung in der Praxis

Damen verkreuzen die Hände hierfür zu einem Dreieck mittig auf den Oberschenkeln, indem ihre rechte Hand die linke umfasst. Herren legen die Hände seitlich oder vorn an die Oberschenkel.

 

Japanische Frau im Kimono vebeugt sich zur Begrüßung

Unerlässlich und aufschlussreich: die Visitenkarte

Zu jeder geschäftlichen Begegnung mit einem japanischen Ansprechpartner gehört eine Visitenkarte. Ist sie im Westen in Zeiten des Smartphones mehrheitlich obsolet geworden, so gehört sie zu der japanischen Geschäftsetikette dazu und auch Sie sollten welche mit sich führen.

Visitenkarten richtig annehmen und reichen: in Japan anders

Die Visitenkarte wird auf Taillenhöhe mit beiden Händen an den beiden oberen Ecken gehalten und mit einer Verbeugung überreicht. Die Schrift zeigt zur anderen Person, die sie ebenfalls mit beiden Händen an den entgegengesetzten Ecken mit einer Verbeugung annimmt.
Auf diese Weise verharren die Gesprächspartner einen kurzen Augenblick in dieser Position und sind sozusagen durch die Visitenkarte „verbunden“. Dieses physische Band steht für die Verbindung, die sich zwischen ihnen anbahnt.

Dos and Don’ts

Die Ihnen überreichte Visitenkarte sollten Sie mit Respekt behandeln. Sie müssen sie sofort vollständig durchlesen, dürfen auch gern das Layout loben, wenn es Ihnen angemessen erscheint, und sollten sie demonstrativ pfleglich behandeln und sorgfältig aufbewahren. Knicken Sie die Visitenkarte nicht und benutzen Sie sie nicht, um sich etwas zu notieren. Mit seiner Visitenkarte reicht Ihnen Ihr japanisches Gegenüber ein Stück von sich selbst. Behandeln Sie sie also, wie Sie den Menschen selbst behandeln würden.

 

Japanische Unternehmen verstehen

Japanische Konzerne & Kleinstbetriebe auf Augenhöhe

Wer das Japan-Geschäft wirklich begreifen und erfolgreich umsetzen will, muss zunächst verstehen, dass Grenzen der Zusammenarbeit in Japan viel fließender sind, als dies im Westen der Fall ist.
Unternehmen aller Größenordnungen arbeiten oft Hand in Hand zusammen, und dies immer auf Augenhöhe. Dass ein Ein- oder Zwei-Personen-Unternehmen als Zulieferer für einen Großkonzern arbeitet, ist nicht selten und sagt nichts über die Natur der Beziehungen zwischen Auftraggeber und Kunde aus. Verdient die Qualität der erbrachten Arbeit Wertschätzung oder ist sie hochspezialisiert, so entsteht kein Gefälle, wie im Deutschen das Wort „Zulieferer“ es schon suggeriert. Das kleinere Unternehmen gilt niemals als selbstverständlich und austauschbar, es erfährt vom Empfänger seiner Leistung Respekt und Dankbarkeit. Diese Grundsätze werden auch von Ihnen erwartet.

Widersprüchliche Hierarchien in japanischen Betrieben

Parallel dazu sind innerhalb eines Unternehmens Hierarchien äußerst komplex und unverrückbar. Alter, Rang, Geschlecht bedingen klare Schranken, die nicht nur in der praktischen Befehlskette im Alltag, sondern auch im menschlichen Umgang nicht verhandelbar sind. Diese Kultur des Respekts, durch die niemand vergisst, wo sein Platz ist, wird nicht in Frage gestellt. Frauen insbesondere haben es in der Geschäftswelt weiterhin sehr schwer, und die „Gender Pay Gap“-Frage ist die kleinste ihrer Sorgen.

Angesichts dessen kann es verwundern, dass einige CEO  von KMU Initiativen an den Tag legen, die im Westen nicht nur unvorstellbar wären, sondern auch nicht in dieses strenge Kastendenken zu passen scheinen: Immer häufiger kochen Vorgesetzte oder gar Geschäftsführer für ihr Personal, servieren an einem bestimmten Tag in der Kantine oder opfern regelmäßig einen Nachmittag für Cafeteria-Dienste. Mit dem Wunsch nach Nähe oder Teambuilding hat es allerdings wenig zu tun. Tatsächlich wird selbst in größeren Betrieben die Verantwortung von Chefs oder Vorständen als eine Art väterliche Verpflichtung betrachtet: Der CEO versteht sich als Familienoberhaupt, mit der ganzen Strenge, aber auch Aufsichts- und Sorgepflicht, die dies beinhaltet.

In Japan ist Dialog Diplomatie

Direktheit ist in Japan verpönt, auch im Geschäftsleben. Dies kann für einen westlichen Ansprechpartner kompliziert, anstrengend, zeitaufwändig  und wenig zielführend erscheinen, aber zu versuchen, diesen Aspekt der japanischen kaufmännischen Kultur zu ändern, wäre müßig.
Klare Aussagen, insbesondere wenn sie negativ sind, sind nie zu erwarten. Sollen eine Meinungsverschiedenheit oder Ablehnung vermittelt werden, so geschieht es zwischen den Zeilen, durch die Blume. Signalwörter wie „schwierig“, „ergänzende Vorschläge“, „Alternativen“ „möglicherweise zu einem anderen Zeitpunkt“, oder „erwägen“ zeigen, dass eigentlich „nein“ gemeint ist. Mit diesem Umgehen einer direkten Kritik soll Ihnen ermöglicht werden, Ihr Gesicht zu wahren – ein in der japanischen Kultur nicht nur zu Zeiten der Samurai wichtiger Begriff –, und Sie sollten dem Anderen gegebenenfalls die gleiche Höflichkeit erweisen.

Meetings in Japan

Wir haben bereits in unserem Artikel zur Expo 2025 erwähnt, dass in Japan der persönliche Kontakt für die Vertrauensbildung und somit für einen Geschäftsabschluss und eine langfristige Geschäftsbeziehung unerlässlich ist. Landwirte und Fischer bringen ihre Produkte, zum Teil in einer unscheinbaren Plastiktüte baumelnd, persönlich zu Edelrestaurants in der Innenstadt von Tokyo, Food Sample-Handwerker würden ihre Arbeiten niemals mit der Post verschicken, Kunsthandwerker und Designer sehen es als ihre Pflicht an, ihre Werke, oft als Geschenk verpackt, persönlich zu überbringen.

Trotz dieser Kultur der Begegnung von Mensch zu Mensch im echten Leben darf nicht erwartet werden, dass Meetings, für die im Übrigen eine strenge Sitzordnung gilt, unmittelbar zu Ergebnissen, Entscheidungen oder Abschlüssen führen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie dienen entweder dazu, Thesenpapiere vorzubereiten, die später höheren hierarchischen Ebenen zur Entscheidung vorgelegt werden sollen, oder dem Geschäftspartner bereits in den „höheren Etagen“ getroffene Entscheidungen zu vermitteln und sie ihm gegenüber zu begründen.

 

 

Als Isabella Bird im 19. Jahrhundert als erste Engländerin Japan bereiste, trug ihre offene, tolerante und respektvolle Art dazu bei, ein positives Bild von England zu vermitteln und das Image des Landes bei den Japanern erheblich zu verbessern. Sie wusste nichts von dieser unglaublich fernen und fremden Welt, in die sie sich verlieben sollte, verstand auch nicht alles, was sie sah, beurteilte sicher auch einiges einseitig durch die Augen ihrer christlichen Erziehung, aber sie begegnete allem und allen mit Neugier und Achtung. In einer Herberge schrieb ein Gastwirt nicht ohne Bewunderung in sein Tagebuch, sie sei „für eine Gaijin extrem höflich und rücksichtsvoll“ gewesen. Dieses Beispiel ist heute noch ein Erfolgsrezept, wenn Ihr Unternehmen in Japan nach passenden Geschäftspartnern sucht.
Das Japan-Geschäft ist ein Tanz, und Sie sollten die erforderlichen Schritte kennen, üben und beherrschen, wenn Sie auf diesem Parket brillieren möchten. Die Begleitung eines kundigen Dolmetschers und Kulturmittlers, der Sie beraten und führen kann, ist hier immer eine sehr lohnende Investition.

Dies ist der zweite Teil unserer Reihe zum Thema Unternehmensbeziehungen zu japanischen Geschäftspartnern.
Sie können sich außerdem in unserem Lebensart-Magazin über weitere Aspekte der japanischen Kultur informieren. In vielen fundierten Artikeln stellen wir Ihnen Details der Weltanschauung, des Arbeits- und Lebensalltags in Japan vor, die Ihnen helfen können, das Land der aufgehenden Sonne besser zu verstehen und dort noch erfolgreicher zu sein.