Hybride Formulierungen im alltäglichen Sprachgebrauch und in der Übersetzung
Hybridität, Hybriden, hybride – diese Wörter kennen wir eigentlich aus der Biologie und Botanik. Sie bezeichnen die Entstehung einer Mischform aus zwei oder mehr voneinander getrennten Systemen. Hybride Pflanzen werden gezielt gezüchtet, um spezielle vorteilhafte Eigenschaften zu erreichen, wie zum Beispiel höhere Erträge, eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, eine schönere Farbgebung oder eine Anpassung an Geschmacks- und Texturvorlieben.
Doch was bedeutet „hybrid“ im Kontext von Sprachen?
Machen wir einen kleinen Ausflug in unsere alltäglichen Sprachgepflogenheiten:
Sie haben sich gestern gut amüsiert und resümieren: Das Event war echt cool, unsere Company hat ein neues Produkt gelauncht. Beim heutigen Shopping haben Sie die Must-haves dieses Sommers im Sale erworben und den Link der neuen Sneakers und der hippen T-Shirts gleich gepostet, denn die Outfits sind einfach mega-cool. Am Abend nach dem Job ist zum Chillen Netflixen mit den Freundinnen angesagt und alle machen in geselliger Runde einige Selfies für Ihren Insta-Account.
Sie merken es? Turnschuhe sind Sneakers, Mobiltelefone sind Handys, der Sommerschlussverkauf, dieses altmodische Wort, ist ein Sale und wir möchten nur noch chillen, anstatt uns zu erholen.
In unserer globalisierten Welt werden Begriffe aus verschiedenen Sprachen zusehends vermischt. Worte, vor allem aus dem Englischen, werden in die tägliche Kommunikation übernommen, sie wirken modern, hipp und angesagt und haben längst alle Altersklassen erobert. Oma und Opa chillen genauso wie die Youngsters, en passant werden neue Wörter und Ausdrücke in unsere Standardsprache übernommen.
Herausforderungen bei der Übersetzung hybrider Formulierungen
Nichts ist so einfach wie es scheint!
Während es für Lehnwörter (Portemonnaie, Chauffeur) und etablierte Fremdwörter (Restaurant, Kiosk) feste Übersetzungen gibt, sind hybride Formulierungen oft dynamisch und sehr kontextabhängig. Eine reine Wort-für-Wort Übersetzung würde zwar naheliegen, kann aber oft danebenliegen, denn es gibt vieles zu beachten.
Kulturelle Nuancen
Der Begriff „chillen“ wird im Deutschen oft im gleichen Sinne wie im Englischen „to chill“ verwendet, was entspannen oder ausruhen bedeutet. Allerdings hat „chillen“ im Deutschen zusätzlich eine Konnotation von Geselligkeit, häufig in Verbindung mit Freunden, und bezieht sich oft auf eine entspannte Freizeitaktivität. In anderen Kulturen könnte das Äquivalent zu „to chill“ eine leicht unterschiedliche Bedeutung haben oder andere soziale Implikationen besitzen. So könnte eine direkte Übersetzung ins Japanische beispielsweise nicht die gleiche entspannte, gesellige Atmosphäre vermitteln, denn Freizeitaktivitäten und soziale Interaktionen sind kulturell sehr unterschiedlich. Ein Japaner chillt eben anders als ein Norweger!
Unterschiedliche Sprachstrukturen
Ein Beispiel hierfür ist der Satz: „Ich muss mein Handy updaten“, in dem das englische Verb „to update“ direkt übernommen und wie ein deutsches Verb konjugiert wird. Zwar könnte man dies im Deutschen auch mit „Ich muss mein Handy aktualisieren“ wiedergeben, jedoch fehlt dieser Übersetzung die technische Präzision und Kürze des Originals. Die Übernahme des englischen Wortes ‚update‘ vermittelt nicht nur die Handlung, sondern auch den modernen technischen Kontext, der durch eine längere oder weniger prägnante deutsche Formulierung, wie etwa „auf den neusten Stand bringen“ verloren gehen würde.
Kombination von Begriffen
Durch die Kombination von Begriffen, in diesem Falle Markennamen, entstehen hybride Formulierungen wie „netflixen“ (Netflix schauen) oder „googlen“ (auf Google etwas suchen). Auch „Skypen“ (über Skype kommunizieren) oder „streamen“ sind Beispiele für die Integration von hybriden Begriffen in die deutsche Sprache. Eine Übersetzung ins Französische als „faire un appel sur Skype“ klingt wesentlich umständlicher und verliert an Leichtigkeit und Modernität.
Ebenso verhält es sich mit „liken“ (mit Gefällt mir markieren) oder „sharen“ (teilen) – diese Wortschöpfungen sind nicht nur prägnant, sie spiegeln auch die aktuelle digitale Kultur wider und sind im Social-Media-Kontext allgegenwärtig geworden. Die Sprecher haben die Worte in ihre eigene Sprache integriert, indem sie einfach die deutsche Verb-Endung „en“ angefügt haben.
Diese kreativen und unmittelbar verständlichen Mischungen sind in einer wörtlichen Übersetzung kaum zu bewahren und verlangen vom Übersetzer ein tiefes Verständnis sowohl der Quell- als auch der Zielsprache sowie der Kulturen und sprachlichen Gepflogenheiten. Übersetzungen müssen immer eine Balance zwischen wörtlicher Bedeutung und kulturellem Kontext finden.
Neue Konzepte und Technologien
Viele hybride Formulierungen betreffen neue Technologien oder Konzepte, die in der Zielsprache zunächst noch keine etablierten Begriffe haben. Begriffe wie „Selfie“ oder „Insta-Account“ sind in viele Sprachen übernommen worden, ihre Verwendung und Konnotationen können jedoch unterschiedlich sein. So ist zum Beispiel die offizielle Übersetzung von E-Mail im Französischen „courriel“, jedoch hat sich auch hier im Alltag das englische „email“ durchgesetzt. Anders beim „Mousepad“, das nennen die Franzosen „tapis de souris“ (Mausteppich), was zwar etwas umständlicher klingt aber durchaus seinen Charme hat.
Informelle Sprache und Slang
Begriffe wie „hip“, „mega“ oder „cool“ tragen informelle und jugendliche Konnotationen, die in ihrer Originalsprache sofort verständlich und zeitgemäß wirken. Bei der Übersetzung solcher Begriffe ist es wichtig, den gleichen sozialen Tonus zu treffen, was oft nicht ganz einfach ist. Slang und informelle Sprache sind stark kulturabhängig und entwickeln sich in spezifischen sozialen Kontexten, die nicht in jedem Sprachkreis gleich sind.
Was im Deutschen „hip“ ist, könnte im Französischen „à la mode“ sein, jedoch hat diese Übersetzung nicht dieselbe jugendliche und trendige Anmutung wie im Deutschen. „Mega“ wird mittlerweile im Deutschen inflationär verwendet, etwas Beeindruckendes, besonders Positives ist einfach mega, eine direkte Übersetzung ins Spanische mit dem Wort „súper“ würde zwar verstanden werden, jedoch geht hier der enthusiastische Ton verloren.
„Cool“ ist ein international verbreiteter Ausdruck, der in vielen Sprachen übernommen wurde. Im Deutschen wird „cool“ oft genauso verwendet wie im Englischen. Eine Übersetzung ins Japanische könnte „kakkoii“ (格好いい) lauten, was jedoch mehr „stilvoll“ oder „gut aussehend“ bedeutet und eher für Personen als für Situationen oder Dinge verwendet wird. So könnte „cool“ in einem technischen Kontext oder für ein Event im Deutschen und Englischen passen, während „kakkoii“ im Japanischen nur in Bezug auf Personen wirklich einen Sinn ergibt.
Die Übersetzung hybrider Formulierungen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die weit über eine reine Wort-für-Wort-Übersetzung hinausgeht. Sie erfordert ein tiefes Verständnis beider Sprachen und Kulturen sowie Kreativität und Flexibilität, um die intendierte Wirkung in der Zielsprache zu erzeugen. In unserer zunehmend vernetzten Welt ist die Fähigkeit, hybride Sprachelemente effektiv zu übersetzen, ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Kommunikation. Und wir schließen wieder mit dem Hinweis, dass Übersetzungsprogramme dieser Aufgabe [noch] nicht gewachsen sind :-)
Autorin: Martina Schmid @eurolanguage